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Die Grenze zwischen Luftraum und Weltraum

 

Der atmosphärische Luftraum endet dort wo der Weltraum beginnt, wenn auch diese Grenze wissenschaftlich nicht eindeutig definiert ist. Völkerrechtlich, nämlich im Weltraumvertrag, gibt es dazu keine klarstellende Definition. Doch wo hört der Luftraum auf, in dem nationales Patentrecht anwendbar ist, und wo beginnt der Weltraum, in dem es keine nationalen Souveränitätsansprüche geben darf ?

Es ist eine gefestigte naturwissenschaftliche Erkenntnis, dass die Atmosphäre der Erde allmählich in das Weltall über geht und dass es keine eindeutige physikalische Grenze zwischen der obersten Atmosphärenschicht, der Exosphäre, und dem Weltraum gibt. Die Exosphäre geht nämlich kontinuierlich in den Weltraum über.

Ab einer Flughöhe von etwa 80 km ist aufgrund der geringen Luftdichte der dynamische Druck auf die Steuerflächen eines Flugzeugs so gering, dass eine aerodynamische Steuerung nicht mehr möglich ist. Die NASA und die US Air Force sehen diese Höhe (50 nautische Meilen) als Grenze zum Weltraum an. Von der Fédération Aéronautique Internationale (FAI) wird die so genannte Kármán-Linie (100 km über der Meeresoberfläche) als Definition der Grenze zwischen Luftraum und Weltraum angesehen.

In einer Höhe von etwa 100 km ist die Atmosphärendichte so gering, dass ein Flugzeug, um den zum Halten dieser Höhe erforderlichen Auftrieb zu erzeugen, theoretisch mit einer Geschwindigkeit fliegen müsste, die so hoch ist, dass sie etwa der Orbitalgeschwindigkeit entspricht. Bei dieser Geschwindigkeit und in dieser Höhe, die als Grenzorbit bezeichnet werden soll, ist die Fliehkraft so groß, dass kein Auftrieb mehr benötigt wird, um das Flugzeug auf dieser Höhe zu halten. Allerdings ist die Luftdichte hier noch deutlich spürbar, so dass ein auf diesem Orbit kreisendes Objekt messbar abgebremst wird und ohne steten Antrieb diesen Orbit radial nach innen verlassen würde. Ohne die in dieser Höhe noch vorhandene geringe abbremsende Wirkung der Atmosphäre zu berücksichtigen, gilt reduziert auf die Betrachtung der radial wirksamen Kräfte für den Grenzorbit die Aussage:

Die für das Fliegen von Flugzeugen typische aerodynamische Auftriebskraft entspricht im Grenzorbit in etwa der für das Umkreisen der Erde durch Raumfahrzeuge (z.B. Satelliten) typischen orbitalen Zentrifugalkraft.

Aus flugmechanischer und raummechanischer Sicht hört in dieser Höhe das Fliegen (im Luftraum) auf und das Kreisen auf Orbitalbahnen (im Weltraum) beginnt.

Zwar ist der aerodynamische Auftrieb eines Flugzeugs nicht nur von dessen Geschwindigkeit, sondern auch von dessen Masse und der aerodynamischen Gestaltung (wirksame Auftriebsfläche, Auftriebsbeiwert) abhängig und auch die Zentrifugalkraft ist nicht nur von der Geschwindigkeit, sondern zudem von der Masse abhängig, so dass sich für unterschiedliche Flugzeuge auch unterschiedliche Grenzorbits ergeben, doch dürfte die Streuung nicht sehr groß sein. Flugzeuge, die in solch einer Höhe überhaupt aerodynamischen Auftrieb erzielen könnten und nicht als Raketenflugzeuge in diese Höhen aufsteigen, würden weniger den allgemein bekannten zivilen oder militärischen Flugzeugen ähneln, die sich im unteren Luftraum bewegen, sondern eher so genannten Stratosphärenflugzeugen, die extrem leicht sind und sehr große und aerodynamisch hochwirksame Auftriebsflächen aufweisen. Masse, Vortriebs- und Auftriebseigenschaften solcher extremen Höhenflugzeuge müssen daher stets an der Grenze des technisch und physikalisch Machbaren liegen, was wiederum zur Folge hat, dass auch die Streuung der tatsächlichen Höhenangaben für den Grenzorbit unterschiedlicher Höhenflugzeuge gering sein dürfte. Es erscheint daher gerechtfertigt, zu rechtlichen Definitionszwecken von ‚einem‘ Grenzorbit zu sprechen.

Obwohl es aus naturwissenschaftlicher Sicht keine eindeutige scharfe Grenze zwischen dem Luftraum in der Atmosphäre und dem Weltraum gibt, wird vorgeschlagen, die obige flugmechanische und raummechanische technische Definition des Grenzorbits, mithin konkret die Kármán-Linie von 100 km Höhe, in Deutschland als rechtliche Definition der Grenze zwischen Luftraum und Weltraum, insbesondere für die Zwecke des Gewerblichen Rechtsschutzes und speziell für patentrechtliche Zwecke, zu verwenden.

Auch im Ausland gibt es bislang nur wenige Staaten, die eine klare Definition der Grenze zwischen Luftraum und Weltraum in ihrer Gesetzgebung gezogen haben. Die Republik Südafrika definiert den Beginn des Weltraums als „space above the surface of the earth from a height in which it is in practice possible to operate an object in an orbit around the earth“. Australien hat in seinem Weltraumgesetz eine Höhe von 100 km über dem mittleren Meeresspiegel als Grenze zwischen Luftraum und Weltraum definiert. Auch Russland setzt sich mit dem Argument, in der Höhe von 100 km stehe für eine Auftriebswirkung nicht mehr genügend Luftdichte zur Verfügung, für die Marke von 100 km als Weltraumgrenze ein.

Eine rechtliche Definition der Grenze zwischen Luftraum und Weltraum entsprechend dem obigen Vorschlag wäre daher technisch und naturwissenschaftlich begründet und nähme auch im internationalen Vergleich keine Sonderstellung ein.


© 2014 Dr. Wolfram Schlimme
   

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